Reitunterricht in Briefen

Der 2. Brief

Sehr geehrte Frau S.

Ich danke Ihnen für Ihr Interesse
an einer Veränderung Ihrer Zusammenarbeit
mit ihrem Partner und guten Freund,
Ihrem Pferd.

So will ich nun Ihrer Bitte entsprechen
und anfangen Ihnen ein paar Tipps
zur Unterstützung aufzuschreiben.

Das erste und wichtigste
ist Ihre Bereitschaft
sich selber Gutes zu tun
und damit auch Ihrem Pferd.

Ebenso, sich selber wahrzunehmen
und damit auch die Wechselwirkung
zwischen Ihrem Befinden
und dem Befinden Ihres Pferdes
erleben und neu zuordnen zu können.

Am besten ist es
Sie beginnen zuerst zuhause
mit einer Übung.

Schaffen Sie sich
einen störungsfreien Raum,
in dem Sie sich
an einem angenehmen Platz
hinstellen, setzen oder legen können.

Wenn Sie ihn gefunden haben,
schließen Sie Ihre Augen
und spüren in Ihren Körper,

Wo ist er angespannt,
wo können Sie ihn locker lassen?

Wie fühlen sich:

Ihr Unterkiefer
Ihr Nacken
Ihre Schulternskelett

Ihr Bauch
Ihr Gesäß
ihre Knie an,

Wie Ihre Ober- und
Unterschenkel,
Ihre Füße

Ihre Ober- und
Unterarme,
Ihre Hände

Sind sie angespannt,
oder locker?

Wie ist Ihre Atmung?
Halten Sie die Luft an.
oder können Sie gut
locker und frei atmen?

Probieren Sie einmal
aus dem Mund auszuatmen,
ohne vorher einzuatmen.

Dann atmen Sie durch die Nase
ruhig und tief ein
und durch den Mund
ebenso ruhig wieder aus.

2 bis 3 Mal in Ihrem Rhythmus.

Danach spüren Sie noch mal
wie sich:

Ihr Unterkieferskelett
Ihr Nacken
Ihre Schultern

Ihr Bauch
Ihr Gesäß
ihre Knie,

ihre Ober- und
Unterschenkel,
Ihre Füße

Ihre Ober- und
Unterarme
ihre Hände jetzt anfühlen,

Sind sie angespannt, oder locker?

Um herauszufinden wann etwas locker ist,
hilft es:

erst in eine Anspannung,
dann in die Gegenspannung und
danach in die Lockerheit zu gehen.

Beispiel: die Bauchmuskulatur

Strecken Sie den Bauch heraus.
atmen Sie dabei weiter in Ihrem Rhythmus
Ziehen Sie nun den Bauch ein,
atmen Sie dabei weiter.
Lassen sie nun den Bauch locker
atmen Sie dabei weiter in Ihrem Rhythmus.

lockern-1

Ausstrecken    Einziehen     Lockerlassen

Je lockerer Sie sind,
um so besser ist es.

Wenn Sie gelegen haben,
dann setzen Sie sich jetzt bitte
auf die Vorderkante eines Stuhles.

Lassen Sie sich einen Augenblick Zeit.
Nehmen Sie wahr,
wie sich ihr Körper anfühlt.

Dann winkeln Sie Ihre Beine
in stumpfem Winkel an.

lockern

Legen Sie die Hände hohl gerundet
auf den linken Oberschenkel
und klopfen abwechselnd vom Bauch ausgehend
den Oberschenkel in Richtung zu Knie,
So, als wollten Sie Luft hinein klopfen.
Vielleicht hilft der Rhythmus:

Tock, Tock,
Tockätock,
Tock, Tock, Tock,

Pause

Tock, Tock,
Tockätock,
Tock, Tock, Tock,

Nun wiederholen Sie den Vorgang
an der Außen- und an der Innenseite
des Oberschenkels.

Und zum Schluss von unten

vom Gesäß ausgehend, bis zum Knie,
Stück für Stück, bis er ganz locker ist.

Es ist wie Musik, ungefähr so:

düdel düdel düt
Pause
düdel düdel düt
Pause
düdel düdel düt

Dann machen Sie es
mit dem rechten Oberschenkel genauso.

Danach klopfen Sie die Rückseite
und die Seiten des linken Unterschenkels
mit den Fingern beider Hände
vom Knie ausgehend, bis zur Ferse.
ganz leicht mit kleinen Pausen.

Tickel tickel tickel tick
Pause
Tickel tickel tickel tick
Pause
Tickel tickel tickel tick

Mit dem rechten Unterschenkel
verfahren Sie ebenso.

Dann streichen Sie mit beiden Händen
vom Gesäß ausgehend

an den Außenseiten der Beine entlang
zu den Füßen bis hin zu den Zehen
und schütteln die Hande aus.

Stellen Sie sich vor,
Sie würden damit
alte Verkrustungen abwischen.
die Sie durch das Schütteln der Hände
ganz loslassen könnten.

Danach streichen Sie,
vom Bauch ausgehend
über die Vorderseite der Beine
auch bis zu den Zehen ab.
Und zum Schluß
über die Rückseite der Beine.

Nun stehen Sie auf
und schlackern ihre Beine
nacheinander leicht aus.

Schließen Sie Ihre Augen
und spüren Sie nach.

Merken Sie sich,
wie sich die Lockerheit
in Ihrem Körper anfühlt.

Ruhen Sie danach eine halbe Stunde,
dann ist die Wirkung noch intensiver
und das Körpergedächtnis
kann diese Information
besser und tiefer speichern.

Wenn Sie jetzt zu Ihrem Pferd fahren,
achten Sie darauf,
wie Sie sich ihm nähern
und wie es auf Sie reagiert.

Bleiben Sie einen Moment bei ihm stehen
und schauen Sie es mit den Gefühlen an,
die Sie für dieses Pferd im Herzen haben.

Ich zitiere aus dem Buch:

„Meines Vaters Pferde“
von Clemens Laar,
Wachtmeister Pauschke:

„Een Reiter guckt sich sein Pferd an.
Und angucken heißt:
ins Auge und in die Seele
vons Pferd linsen
und denn nachdenken.
Aber mits Gefühl nachdenken.“

Dann stellen Sie sich neben Ihr Pferd,
am besten auf Schulterhöhe
mit der Blickrichtung zu seiner Flanke.

Beobachten Sie nun
die Atmung ihres Pferdes

Wann atmet es ein, wann aus?
Gibt es eine Atempause?
Wenn ja, wann?

Was bewirkt die Atembewegung Ihres Pferdes
bei Ihnen?

Jetzt überprüfen Sie noch mal,
wie sich :

Ihr Unterkieferskelett
Ihr Nacken
Ihre Schultern

Ihr Bauch
Ihr Gesäß
ihre Knie

Ihre Ober- und
Unterarme
Ihre Ober- und
Unterschenkel jetzt anfühlen,

Wenn etwas angespannt ist,
können Sie es einfach nur locker lassen?

Was bewirkt es bei Ihrem Pferd,
wenn Sie diesen Ablauf
gedanklich und real vollziehen?

Vielleicht senkt Ihr Pferd den Kopf,
schnaubt, oder prustet,
leckt mit der Zunge über seine Lippen.
lässt die Ohren locker.
lehnt sich sachte an Sie?

Alles kleine Zeichen
Ihrer engen Verbindung.

Damit vollende ich diesen Brief
und freue mich Ihnen damit
einen ersten Tipp auf dem Weg
in eine neue und tiefe Verbundenheit
mit Ihrem Pferd zu geben.

Alles Liebe

Friederike Hapel

Der erste Brief

Meine liebe Mina


Nun ist Dein kleines Lieschen schon drei Jahre alt.
Ein kraftvolles junges Pferd, das bei Dir heranwachsen durfte
und voller Vertrauen ist.

Jetzt soll es langsam in die Schule gehen,
um mit der Zeit zu einem guten Reitpferd heranzureifen.

Ein bisschen Vorarbeit hast Du ja schon geleistet.
Hast Dich viel mit ihm beschäftigt,
so dass es sich putzen und die Hufe auskratzen lässt.

Du hast es als Handpferd mitgenommen,
wenn Du ausgeritten bist.

Nun muß es auch lernen, alleine mit Dir zu gehen,
weg von seiner Stallgefährtin.

Da ein junges Pferd beim Führen
öfter mal unvorhersehbare Sprünge macht,
habe ich immer eine Longe zum Führen benutzt.

Damit hatte ich genug Möglichkeiten nachzugeben
und loszulassen, wenn das Pferd sich erschreckte.

Denn die jungen Pferde springen eher von Dir weg,
als dass sie Dich umrennen.

Es hat sich gezeigt, dass es am besten ist,
wenn der Führstrick, in diesem Fall, die Longe,
immer leicht zwischen dem Pferd und Dir durchhängt.

Locker vom Halfter in Deine rechte Hand
und von da aus weich schwingend in Deine linke,
die auch den Rest der Longe hält.

Das hat drei Vorteile.führen 1

1. Das Pferd spürt
die sehr leichte Verbindung
und fühlt sich doch frei.

2. Du bekommst nicht gleich
den Arm ausgerissen,
wenn es mal losspringt,
weil genug Raum da ist.

3. Du kannst die Longe
in der rechten Hand loslassen
und hast das Pferd immer noch in der linken,
die jederzeit nachgeben kann.

So beruhigt sich die Kleine am schnellsten
und Du kannst sie in leichter Anlehnung weiterführen.

Ach ja, zu den Longen gibt es noch etwas zu sagen.

Die besten Longen sind aus Baumwolle,
das merkt man, wenn einem einmal
eine Synthetiklonge durch die Finger geratscht ist
und die ganze Hand verbrannt hat.

Wenn man mit einem so jungen Pferd zu tun hat,
das sich seiner Kraft ja noch gar nicht bewusst ist,
dann kann man auch schon mal unsicher werden,
wenn es bockend und steigend herumspringt.

Doch das ist nur ein Zeichen von Lebensfreude.

Und Freude darfst Du an dieser Lebensäußerung
Deines Pferdes haben und sie auch äußern,
indem Du lachst und das Pferd lobst.

Es mag Dir widersinnig erscheinen,
doch damit vermittelst Du dem Pferd Sicherheit und Ruhe.
Es entspannt sich umso schneller.

Und als Nebeneffekt entspannst Du Dich auch.

Deine Stimme ist überhaupt ein ganz wichtiger Helfer.
Mit tiefen dunklen, weich schwingenden Tönen beruhigst Du,
mit Deinem Lachen bestätigst Du und
mit Deiner hellen Stimme forderst Du auf, voran zu gehen.

Wenn Dein Pferd sich vor etwas fürchtet,
dann hilfst Du ihm am meisten,
indem Du mit ihm sprichst, erst fragend hell:
„Was ist denn da? Ja, guck mal.“ o. ä,
 indem Du lachst und dann immer tiefer und dunkler klingst,
„Sooo ist es schön.“ ganz weich und warm, 
eben wie man mit einem kleinen Kind spricht.

Und mit dieser verbalen Begleitung
nähert ihr Euch langsam dem gefährlichen Gegenstand
soweit, dass das Pferd daran schnuppern
und seine Furcht davor verlieren kann.

Je öfter Du so mit dem Pferd umgehst,
desto sicherer wirst Du darin
und auch Dein kleines Pferd
wird neugieriger und vertrauensvoller.

So das war nun der erste Brief, den ich Dir schreibe.
Vielleicht kannst Du etwas von seinen Informationen nutzen.

Es würde mich freuen.

Alles Liebe

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